Ehemann verstorben: Zweite Ehefrau kann Erbeinsetzung der ersten Ehefrau anfechten
Setzt der nach Scheidung wiederverheirate Ehemann in einem während seiner ersten Ehe errichteten Testament seine erste Ehefrau als Erbin ein, kann seine im Testament nicht berücksichtigte zweite Ehefrau das Testament nach dem Tod des Ehemanns regelmäßig anfechten. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden und damit den erstinstanzlichen Beschluss des Amtsgerichts Arnsberg abgeändert.
Der 1945 geborene Erblasser heiratete 1982 seine erste Ehefrau und errichtete mit ihr im Jahr 2003 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Eheleute wechselseitig zum alleinigen Erben des Erstversterbenden einsetzten. In einem Nachtrag vereinbarten die Eheleute, dass das Testament auch im Fall der Ehescheidung gelten sollte. Die Ehe wurde 2011 geschieden. Kurz darauf heiratete der Erblasser seine zweite Ehefrau. Mit dieser errichtete er Anfang 2012 ein notarielles Testament, in dem er unter anderem seine früheren letztwilligen Verfügungen widerrief. Zu Lebzeiten des Erblassers ist das notarielle Testament von 2012 der ersten Ehefrau nicht übermittelt worden. Nach dem Tod des Erblassers im Februar 2013 hat die zweite Ehefrau das Testament von 2003 angefochten, weil sie als Pflichtteilsberechtigte übergangen worden sei. Die erste Ehefrau hat das Testament aus dem Jahr 2003 für wirksam erachtet und die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins beantragt.
Der Erbscheinantrag der ersten Ehefrau ist erfolglos geblieben. Das OLG Hamm hat festgestellt, dass die erste Ehefrau nicht Erbin geworden ist, weil die zweite Ehefrau das Testament aus dem Jahr 2003 wirksam angefochten habe. Das Testament von 2003 sei zwar aufgrund des Nachtrags der damaligen Eheleute nicht mit der Scheidung unwirksam geworden. Auch habe es der Erblasser mit dem 2012 errichteten, neuen Testament nicht wirksam widerrufen, weil der Widerruf gegenüber der ersten Ehefrau zu erklären gewesen wäre und der Erblasser es zu seinen Lebzeiten versäumt habe, seiner ersten Ehefrau den Widerruf zu übermitteln.
Die zweite Ehefrau habe das erste Testament aber wirksam angefochten. Sie habe die Anfechtung innerhalb der mit dem Tod des Erblassers beginnenden Jahresfrist erklärt. Die Anfechtung sei sachlich begründet, weil die zweite Ehefrau zur Zeit des Erbfalls eine Pflichtteilsberechtigte sei, die das Testament aus dem Jahr 2003 nicht berücksichtige. Das berechtige zur Testamentsanfechtung, weil das Gesetz vermute, dass der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten bei Kenntnis der späteren Sachlage nicht übergangen hätte.
Eine Anfechtung sei nur dann ausgeschlossen, wenn anzunehmen sei, dass der Erblasser die in Frage stehende letztwillige Verfügung auch bei Kenntnis der späteren Sachlage getroffen haben würde. Hiervon sei im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Nach dem seinerzeit vereinbarten Nachtrag habe das Testament von 2003 nur bei der Scheidung weitergelten sollen. Dafür, dass es nach dem Willen des Erblassers auch im Fall seiner Wiederverheiratung weitergelten sollte, gebe es keine konkreten Anhaltspunkte.
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 28.10.2014, 15 W 14/14, rechtskräftig
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Steuerberater und Dipl.-Kfm. Matthias Brinkmann