Fiskus haftet nicht unbeschränkt für nach dem Erbfall anfallende Wohngelder
Der Fiskus als gesetzlicher Erbe ist in der Regel berechtigt, für nach dem Erbfall fällig werdende Verbindlichkeiten die Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 Abs. 1 BGB zu erheben mit der Begrenzung der Haftung auf den Nachlass.
Was war geschehen?
Das Land Sachsen wurde gemäß § 1936 BGB zum Alleinerben eines im Juni 2006 verstorbenen Wohnungseigentümers. Nachdem der Mieter aus der Wohnung ausgezogen war, teilte das Land Sachsen der Wohnungseigentümergemeinschaft mit, dass er die Wohnung bis zur Veräußerung selbst verwalten werde. Ferner wurde auf Antrag des Landes Sachsen im Juli 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Nach Freigabe der Eigentumswohnung aus der Insolvenzmasse wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben und die Wohnung auf Betreiben der Wohnungseigentümergemeinschaft zwangsversteigert. Parallel hierzu erwirkte die Wohnungseigentümergemeinschaft gegen das Land 3 Anerkenntnisurteile betreffend die Wohngeldansprüche ab September 2009. In diesen Urteilen behielt sich das Land Sachsen die Einrede der beschränkten Erbenhaftung vor. Im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage stützte das Land Sachsen sich auf die sogenannte Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 Abs. 1 BGB um die Zwangsvollstreckung soweit für unzulässig erklären zu lassen, soweit sie in das Vermögen des Freistaates Sachsen betrieben wird. Nachdem das Amtsgericht der Klage stattgegeben hat, wies das Landgericht die Klage ab.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Landgerichts aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei den titulierten Wohngeldschulden nicht um eigene Verbindlichkeiten des Freistaates Sachsen handelt, sondern um Nachlassverbindlichkeiten, die das Land Sachsen grundsätzlich zur Erhebung der Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 Abs. 1 BGB berechtigen. Die Angelegenheit wurde an das Landgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Landgericht hat insbesondere zu klären, ob der Nachlass dürftig im Sinne von § 1990 Abs. 1 BGB ist.
Begründung des Bundesgerichtshofs
Zunächst stellt der BGH fest, dass andere Erben als der Fiskus nach seiner Rechtsprechung für Verbindlichkeiten, die nach dem Erbfall fällig werden, stets mit dem eigenem Vermögen haften, wenn sie die Erbschaft einmal angenommen haben. Nach Ansicht des Senats lasse sich ein solches Haftungsregime nicht auf den Fiskus übertragen, weil diesem – im Gegensatz zu anderen Erben – gemäß § 1942 Abs. 2 BGB versagt ist, die Erbschaft auszuschlagen. Eine Qualifizierung von Verbindlichkeiten als Eigenverbindlichkeiten sei daher nach Ansicht der Richter unter Berücksichtigung des Zwecks und der Besonderheiten des fiskalischen Erbrechts nach anderen Kriterien zu bestimmen. Zu berücksichtigen sei, dass der Fiskus hier eine Ordnungsfunktion wahrnehme, in dem er verpflichtet ist, herrenlose Nachlässe ordnungsgemäß abzuwickeln. Für die Richter sei daher entscheidend, ob der Fiskus lediglich seine Rolle als Nachlassabwickler erfüllt. Verlässt er diese Rolle, weil er beispielsweise einen im Nachlass befindlichen Gegenstand, selbst nutzen wolle, sei es gerechtfertigt, die hierdurch entstehenden Verbindlichkeiten als eigene Verbindlichkeiten zu qualifizieren.
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Rechtsanwalt Sven Kaiser