Home Für das Verwirken einer in einem Berliner Testament angeordneten Pflichtteilstrafklausel ist die gerichtliche Geltendmachung nicht erforderlich

Für das Verwirken einer in einem Berliner Testament angeordneten Pflichtteilstrafklausel ist die gerichtliche Geltendmachung nicht erforderlich

Urteil Berliner Testament Verzinsung

– vielmehr genügt die bewusste Geltendmachung in Kenntnis der Pflichtteilstrafklauseln!

Das OLG Köln hat in seinem Beschluss – 2 Wx 314/18 – vom 27.09.2018 entschieden, dass ein Kind, welches nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils Auskunft über den Wert des Nachlasses begehrt und in diesem Zusammenhang Geldforderungen geltend macht, nach dem Tod des längstlebenden Elternteils ebenfalls nur Anspruch auf den Pflichtteil hat.

Was war geschehen?

Die Ehegatten hatten sich wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt und gleichzeitig testiert, dass Erbe des längstlebenden Ehegatten die 4 gemeinsamen Kinder, je zu gleichen Teilen werden sollen. Ferner enthielt das Testament eine entsprechende Regelung, dass das Kind, welches den Pflichtteil nach dem Tod des Erstversterbenden fordert, auch nach dem Tod des längstlebenden Ehegatten nur den Pflichtteil erhalten soll.

Nach dem Tod der Mutter begehrte die Tochter – durch anwaltlichen Schriftsatz – von dem Vater Auskunft über die Höhe des Nachlasses und verlangte die Vorlage eines schriftlichen Nachlassverzeichnisses. Daraufhin kam es zu mehreren Telefonaten mit dem Vater und dem Prozessbevollmächtigten des Kindes, in dem der Vater den Wert des Familienwohnheims mit 250.000,00 DM angab.

In einem weiteren Schriftsatz ließ die Tochter darauf hinweisen, dass der Wert des Familienheims deutlich über 250.000,00 DM liegen dürfte und insoweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich sei. Aufgrund der Wertangaben des Vaters ergab sich ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von ca. 10.000,00 DM. Zur gütlichen Beilegung schlug die Tochter vor, dass der Vater – ohne formelle Geltendmachung des Pflichtteils – an Sie einen Betrag i.H.v. 10.000,00 € zahlt, der letztendlich auf das Erbe angerechnet wird. Für den Fall, dass der Vater dieses Angebot nicht annimmt, verlangte die Tochter die Vorlage eines schriftlichen und vollständigen Nachlassverzeichnisses und kündigte bereits die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs an.

Der Vater zahlte daraufhin den geforderten Betrag in Höhe von 10.000€ und war der Ansicht, dass das Kind hiermit seine Erbenstellung nach ihm verloren habe.

Entscheidung des Gerichts

Das Oberlandesgericht Köln hat im Rahmen des streitigen Erbscheinsverfahren festgestellt, dass die Tochter aufgrund der Verwirkung der Pflichtteilstrafklausel nicht Miterbin nach ihrem Vater geworden ist; ihr insoweit lediglich ein Pflichtteilsanspruch zusteht.

Begründung des Gerichts

Durch eine sogenannte Pflichtteilstrafklausel wollen die gemeinschaftlich testierenden und sich wechselseitig als Erben einsetzenden Ehegatten rechtsverbindlich sicherstellen, dass dem überlebenden Ehegatten bis zu seinem Tod der Nachlass ungeschmälert verbleibt. Es soll das Interesse der Ehegatten insbesondere des Ehegatten, der als 1. verstirbt, sicherstellen, dass nicht einer der Abkömmlinge bei der Verteilung des Gesamtnachlasses bevorteilt wird.

Zur Verwirkung der Pflichtteilstrafklausel ist erforderlich, dass der Pflichtteil bewusst und ernsthaft in Kenntnis der Pflichtteil Strafklauseln geltend gemacht wird. Das Gericht hat vorliegend insbesondere in dem Hinweis des Prozessbevollmächtigten der Tochter, dass für den Fall der Nichtzahlung der Vater mit einer Inanspruchnahme rechnen müsse, eine solche Verwirkung gesehen. Auf eine gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs kommt es ebenso wenig an wie auf den Umstand, ob und in welcher Höhe der Pflichtteilsanspruch objektiv besteht und ob die Zahlung auf den Pflichtteil erfolgte.


Sven Kaiser

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Rechtsanwalt Sven Kaiser