Home Großvater enterbt Sohn: Enkel kann Pflichtteilsanspruch gegen Erben haben

Großvater enterbt Sohn: Enkel kann Pflichtteilsanspruch gegen Erben haben

Enterben Enkel Pflichtteil

Enterbt ein Großvater nur seinen Sohn und vererbt sein Vermögen anderen Erben, kann dem Enkel ein Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch zustehen. Das hat das OLG Hamm entschieden.

Im Oktober 2011 verstarb der seinerzeit 72 Jahre Erblasser. Er hinterließ einen Nachlass und eine Lebensversicherung im Wert von zusammen circa 1.854.000 Euro. Der Erblasser hatte zwei Söhne. Der Ältere verstarb 1990 kinderlos im Alter von 28 Jahren. Der Jüngere, heute 53 Jahre alt, ist – nach im Prozess vorgelegter Geburtsurkunde – der Vater des heute 21 Jahre alten Klägers. Beide Söhne hatte der Erblasser in einem 1989 errichteten Testament enterbt und zur Begründung auf ihre Rauschgiftsucht und begangene Straftaten hingewiesen, unter anderem eine vom jüngeren Sohn gegen ihn verübte Körperverletzung. Zu Erben bestimmte der Erblasser in dem Testament seine damalige Lebensgefährtin sowie seinen Bruder, den heute 79 Jahre alten Beklagten.

Nach dem Tod des Erblassers teilten die Erben den Nachlass unter sich auf. 2014 machte der Kläger Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche von zuletzt circa 927.000 Euro gegen den Beklagten und die Lebensgefährtin des Erblassers geltend. Hierzu trug er vor, Enkel des Erblassers zu sein, sodass ihm als – allein verbliebenen – gesetzlichen Erben die Hälfte des Nachlasses als Pflichtteil zustehe. Die Erben haben die Vaterschaft des enterbten Sohnes bestritten und allein die vom Kläger vorgelegte Geburtsurkunde für keinen ausreichenden Nachweis gehalten. Außerdem haben sie geltend gemacht, dass sie den Nachlass verbraucht beziehungsweise weitergegeben hätten.

Das Landgericht (LG) Hagen hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Lebensgefährtin des Erblassers sowie den Beklagten dazu verurteilt, an den Kläger auf den ihm zustehenden Pflichtteil nebst Pflichtteilsergänzung (insgesamt circa 927.000 Euro) zu zahlen. Die Lebensgefährtin des Erblassers hat ihre Verurteilung nicht angefochten. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Das OLG Hamm hat seine erstinstanzliche Verurteilung bestätigt.

Der Kläger sei pflichtteilsberechtigt, so das OLG. Er habe nachgewiesen, dass er der Sohn des jüngeren Sohnes des Erblassers und damit dessen Enkel sei. Grundlage der Pflichtteilsberechtigung sei, wie beim gesetzlichen Erbrecht, die rechtliche Abstammung des Klägers von seinem Vater. Diese habe der Kläger mit einer Geburtsurkunde nachweisen können und durch die im Original vorgelegte Geburtsurkunde auch nachgewiesen. Dass der Kläger ein nichteheliches Kind sei, sei rechtlich unerheblich. Eine Unrichtigkeit der Geburtsurkunde habe der Beklagte zu beweisen, was ihm nicht gelungen sei. Ob der Kläger auch biologisch Sohn des Erblassers sei, sei aufgrund der feststehenden rechtlichen Vaterschaft irrelevant.

Das vom Erblasser errichtete Testament habe den Kläger durch die vom Erblasser bestimmte Erbeinsetzung seines Bruders und seiner Lebensgefährtin von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Als entfernterer Abkömmling des Erblassers sei der Kläger nunmehr pflichtteilsberechtigt. Eine ihm vorgehende Pflichtteilsberechtigung seines Vaters sei nicht gegeben. Diesem habe der Erblasser neben dem Erbrecht auch den Pflichtteil entzogen. Das folge aus der testamentarisch verfügten Enterbung, die aufgrund der seinerzeit vorliegenden Entziehungsgründe auch wirksam sei.

Im Gegensatz zu seinem Vater habe der Kläger sein Pflichtteilsrecht nicht verloren. Der Erblasser habe in seinem Testament nur angeordnet, seinen Söhnen, nicht aber auch auf deren Nachkommen den Pflichtteil zu entziehen. Bezogen auf die Person des Klägers sei zudem kein Grund für eine Entziehung des Pflichtteils ersichtlich und vom Erblasser entsprechend den gesetzlichen Vorgaben auch testamentarisch nicht verfügt worden. Da der Beklagte – neben der Lebensgefährtin des Erblassers – dem Kläger gegenüber den Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch als Gesamtschuldner schulde, sei er in Höhe des gesamten Anspruchs zur Zahlung zu verurteilen.

Darauf, dass der Nachlass nicht mehr oder nur noch zum Teil vorhanden sei, könne sich der Beklagte nicht berufen. Nach der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft habe er den Pflichtteilsanspruch mit seinem gesamten Vermögen und nicht nur mit dem übernommenen Nachlass zu erfüllen.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 26.10.2017, 10 U 31/17


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Rechtsanwalt Miles B. Bäßler