Kontaktabbruch vor über 25 Jahren rechtfertigt keine Todeserklärung
Ein in die USA ausgewanderter Schleswig-Holsteiner ist nicht bereits deshalb für tot nach dem Verschollenheitsgesetz zu erklären, weil dieser seit mehr als einem Vierteljahrhundert keinen direkten Kontakt zu seiner Schwester aufgenommen und die gemeinsame Mutter kurz vor ihrem Tod erklärt hat, dass der Sohn nicht mehr lebe. Dies hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) entschieden und einen Beschluss des Amtsgerichts (AG) Kiel aufgehoben, in dem der 1958 geborene Mann für tot erklärt worden war.
Der damals junge Mann war 1984 in die USA ausgewandert. Er heiratete eine US-Bürgerin und betrieb in Arizona eine Autowerkstatt. Zu seiner Schwester hatte er nach der Auswanderung keinen Kontakt mehr. Er schickte ihr lediglich 1995 anlässlich der Geburt eines Kindes ein Paket. 2001 verstarb die gemeinsame Mutter, 2012 der gemeinsame Vater, der von seiner zweiten Ehefrau beerbt wurde. Die Tochter machte daraufhin von der Witwe den Pflichtteil am väterlichen Erbe geltend und verlangte, dass der Pflichtteil so berechnet wird, als wenn sie keinen Bruder mehr hätte. Sie beantragte beim AG Kiel, ihren Bruder für tot zu erklären. Dabei gab sie an, die gemeinsame Mutter habe kurz vor ihrem Tod gesagt, dass der Bruder kinderlos verstorben sei. Weitere Nachfragen habe die Mutter abgetan. Nach Durchführung des Anhörungsverfahrens nach dem Verschollenheitsgesetz forderte das AG Kiel den Betroffenen mit einem im Februar 2014 an der Gerichtstafel ausgehängten Aufgebot, das auch in den Kieler Nachrichten veröffentlichte wurde, auf, sich bis Anfang April 2014 zu melden. Mit Beschluss aus April 2014 erklärte es nach Ablauf der Frist den Betroffenen nach dem Verschollenheitsgesetz für tot. Hiergegen hat die Witwe und Alleinerbin des verstorbenen Vaters Rechtsmittel zum OLG eingelegt.
Dieses hat den Beschluss des AG über die Todeserklärung aufgehoben. Die Schwester des Betroffenen habe bereits durch ihre Angaben nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass „ernstliche Zweifel an dem Fortleben“ des vermissten Bruders bestehen. Für die Annahme der Verschollenheit genüge es nicht, dass die Schwester zu ihrem Bruder keinen Kontakt mehr gehabt hat, seit er vor circa 30 Jahren in die USA ausgewandert ist, und seine Anschrift nicht kennt. Dass der Bruder auch nach dem Tod der Mutter im Jahr 2001 keinen Kontakt zur Schwester gesucht habe, sei angesichts seines geringen Interesses an der Familie in Deutschland ohne Weiteres auch im Fall seines Fortlebens erklärbar.
Der Betroffene sei aus freien Stücken in die USA ausgewandert und habe den Kontakt zu Teilen seiner Familie bewusst abgebrochen. Selbst wenn die Mutter vor ihrem Tod ohne Angabe von Details erklärt haben sollte, dass ihr Sohn verstorben sei, könne dies unter Berücksichtigung ihres früheren Verhaltens auch daran liegen, dass sie weiter „dichtgemacht“ hat und nicht über ihren Sohn reden wollte. Das Lebensalter des 1958 geborenen Mannes lasse es auch nicht als wahrscheinlich erscheinen, dass er bereits verstorben ist. Über körperliche oder psychische Erkrankungen sei ebenso wenig bekannt wie über besondere Gefahren für sein Leben. Die Schwester habe auch keinerlei weitere Tatsachen genannt, die auf ein Ableben des Bruders hindeuten. Eine Vielzahl weiterer Ermittlungsmöglichkeiten sei nicht genutzt worden. Dabei hätte es nahe gelegen, zumindest über das Internet Informationen einzuholen, um etwas über das Schicksal des Bruders zu erfahren. Bei einer Internetrecherche über Suchmaschinen ergäben sich innerhalb weniger Minuten etliche vielversprechende Ermittlungsansätze zum Auffinden des Bruders oder zur Klärung seines Verbleibs.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 12.11.2014, 2 W 56/14
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Steuerberater und Dipl.-Kfm. Matthias Brinkmann