Home Pflichtteilanspruch bei Verjährung nicht mehr als Nachlassverbindlichkeit abziehbar

Pflichtteilanspruch bei Verjährung nicht mehr als Nachlassverbindlichkeit abziehbar

Ein Pflichtteilanspruch, der verjährt ist, ist nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehbar. Das gilt auch dann, wenn der Verpflichtete vorträgt, er werde die Einrede der Verjährung nicht erheben, es aber an einem natürlichen Interessengegensatz fehlt, weil inzwischen wegen eines weiteren Todesfalls Verpflichteter und Berechtigter identisch sind und die gewählte Konstruktion bei gleicher Höhe der Erbschaft ausschließlich zu einer geringeren Steuerbelastung führt.

Der Anfang 2008 verstorbene Vater des Klägers wurde von seiner Ehefrau, der Stiefmutter des Klägers, allein beerbt. Der Kläger machte zunächst keine Pflichtteilansprüche geltend. Aufgrund eines Testaments wurde der Kläger Alleinerbe der Anfang 2011 verstorbenen Stiefmutter. Bei der Erbschaftsteuer begehrte er, als Nachlassverbindlichkeit den nunmehr von ihm geltend gemachten Pflichtteilanspruch nachträglich zu berücksichtigen. Dies lehnte das Finanzamt ab. Das FG erachtete die hiergegen erhobene Klage für unbegründet. Nach Eintritt der Verjährung sei die Abziehbarkeit des Pflichtteilanspruchs als Nachlassverbindlichkeit nicht mehr möglich. Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehörten nach dem Gesetz Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen. Ist der Pflichtteilberechtigte der Alleinerbe des Verpflichteten, so erlöschen laut FG sowohl der Pflichtteilanspruch als auch die entsprechende Verbindlichkeit des ursprünglichen Erben durch die Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person. Das Erbschaftsteuerrecht folge allerdings hinsichtlich dieser so genannten Konfusion nicht der zivilrechtlichen Beurteilung. Vielmehr gölten die infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse als nicht erloschen. Diese Fiktion umfasse auch das Recht des Pflichtteilberechtigten, der der Alleinerbe des Pflichtteilverpflichteten ist, die Geltendmachung des Pflichtteils fiktiv nachzuholen. Gebe der Pflichtteilberechtigte dem zuständigen Finanzamt gegenüber vor der Verjährung des Pflichtteilanspruchs eine entsprechende Erklärung ab, habe es diese zu berücksichtigen und sowohl hinsichtlich der Besteuerung des Erwerbs des Pflichtteils als auch hinsichtlich des Abzugs der Pflichtteilschuld als Nachlassverbindlichkeit die sich hieraus ergebenden steuerrechtlichen Folgerungen zu ziehen.

Vorliegend sei der Abzug des Pflichtteilanspruchs als Nachlassverbindlichkeit indes nicht möglich, da dieser verjährt gewesen sei. Der Anspruch entstehe mit dem Erbfall und verjähre in drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginne mit Schluss des Jahres, in dem der Pflichtteilberechtigte Kenntnis des Erbfalls beziehungsweise der Verfügung von Todes wegen erlangt hat. Vorliegend sei der Erbfall mit dem Tod des Vaters des Klägers im Jahr 2008 eingetreten. Die Verjährungsfrist habe demnach mit Beginn 2009 begonnen und mit Ablauf des Jahres 2011 geendet. Der Anspruch des Klägers sei somit zum Zeitpunkt der Geltendmachung seines Pflichtteilanspruchs verjährt gewesen.

Zwar entspreche es der Ansicht von Teilen der Literatur, auch einen verjährten Pflichtteilanspruch nach dessen Geltendmachung als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen. Das FG meint indes, dass die Geltendmachung eines verjährten Pflichtteilanspruchs (herrührend aus dem Erbfall des früher verstorbenen Vaters) durch die Pflichtteilberechtigten gegenüber sich selbst als Erben der Pflichtteilschuldnerin nicht zu einer vom Erwerb der Erben abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeit der Erblasserin führt. Von entscheidender Bedeutung sei hierbei, dass der Eintritt der Verjährung zur Folge habe, dass es allein in der Hand des (vermeintlichen) Pflichtteilschuldners liegt, ob er einen geltend gemachten Pflichtteilanspruch noch erfüllt oder sich auf die Einrede der Verjährung beruft. Aufgrund dessen bestünden bereits grundsätzlich erhebliche Zweifel, ob nach Eintritt der Verjährung geltend gemachte Pflichtteilansprüche überhaupt geeignet sind, zu Nachlassverbindlichkeiten zu führen. Denn insoweit bestehe keinerlei rechtliche Verpflichtung mehr, den geltend gemachten Anspruch zu erfüllen. Werde in derartigen Fällen der geltend gemachte Anspruch erfüllt, könne dies allein auf moralischen, nicht aber auf rechtlich verpflichtenden Motiven beruhen. Fallen – wie hier – Berechtigung und (verjährte) Verpflichtung in einer Person zusammen, so sei indes selbst eine solche moralische Verpflichtung „sich selbst gegenüber“ nicht zu erkennen. Soweit der Kläger vortrage, er würde die Einrede der Verjährung nicht erheben, sei dies unbeachtlich, wenn es, wie im Streitfall, an einem natürlichen Interessengegensatz fehlt und die gewählte Konstruktion bei gleicher Höhe der Erbschaft ausschließlich zu einer geringeren Steuerbelastung führt.

Finanzgericht Hessen, Urteil vom 03.11.2015, 1 K 1059/14


Miles Bäßler

Sie haben Fragen zum Thema?

Wenden Sie sich gerne an Ihren Partner für Erbrecht
Rechtsanwalt Miles B. Bäßler