Witwenrente ausnahmsweise auch nach nur zwei Monaten Ehe
Obwohl bereits am Hochzeitstag absehbar war, dass der krebskranke Ehemann bald sterben wird, hat das Sozialgericht (SG) Berlin der Ehefrau Anspruch auf Witwenrente zugesprochen. Wesentlicher Grund für die späte Hochzeit war nach den Ermittlungen des Gerichts nämlich der Umstand, dass sich die Beschaffung erforderlicher Papiere aus der Ukraine monatelang hingezogen hatte. Trotz der kurzen Dauer der Ehe von weniger als einem Jahr liege deshalb keine – einen Anspruch ausschließende – Versorgungsehe vor.
Die gesetzliche Hinterbliebenenversorgung solle Unterhaltsansprüche gegen einen Ehepartner ersetzen, die durch dessen Tod weggefallen sind, erläutert das SG. Allerdings setze der Anspruch auf Witwenrente grundsätzlich voraus, dass die Ehe mit dem Versicherten mindestens ein Jahr gedauert hat. Bei einer kürzeren Ehedauer sei laut Gesetz zu vermuten, dass die Ehe gezielt zum Zweck der Versorgung geschlossen wurde. Ein Anspruch auf Witwenrente sei dann ausgeschlossen. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe könne jedoch widerlegt werden.
Die 1957 geborene, aus der Ukraine stammende Klägerin lernte 2007 ihren späteren Ehemann kennen, der bei der beklagten Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg versichert war. Im Dezember 2010 wurde bei ihm anlässlich einer Krankenhausbehandlung eine bereits fortgeschrittene Krebserkrankung festgestellt. Im Februar 2011 beantragten beide die Eheschließung beim Standesamt, Ende März heirateten sie in Berlin. Bereits zwei Monate später, Anfang Juni 2011, starb der Versicherte. Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Witwenrente lehnte die Beklagte ab. Ihrer Auffassung nach war die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht widerlegt worden. Obwohl die Klägerin den Versicherten bereits 2007 kennengelernt habe, sei mit der Vorbereitung der Eheschließung erst begonnen worden, als der lebensbedrohliche Zustand des Versicherten unübersehbar geworden sei.
Im Januar 2016 erhob die Klägerin hiergegen Klage vor dem SG Berlin. Dieses verpflichtete die Beklagte zur Gewährung einer Witwenrente. Zur Prüfung, ob eine Versorgungsehe vorliege, sei eine Gesamtbetrachtung anzustellen. Immer dann, wenn für eine Heirat andere Beweggründe als eine Versorgungsabsicht überwögen oder zumindest gleichwertig seien, sei die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht gerechtfertigt. Das Vorliegen anderer Beweggründe müsse der hinterbliebene Ehegatte beweisen. Eine gewichtige Bedeutung komme hierbei dem Krankheitsbild des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Je offensichtlicher die Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit gewesen sei, desto größer seien die Zweifel daran, dass die Ehe nicht mit dem Ziel der Versorgungsabsicherung geschlossen worden sei. Nicht ausschlaggebend sei hingegen, wie lange eine Liebesbeziehung bereits bestanden habe. Im Gegenteil spreche eine lange Partnerschaft ohne Trauschein dafür, dass eigentlich gar keine Eheschließung beabsichtigt war.
Vorliegend sei die lebensbedrohliche Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Hochzeit zwar offenkundig weit fortgeschritten gewesen. Darüber seien sich auch die Eheleute im Klaren gewesen. Die Ermittlungen des Gerichts hätten jedoch ergeben, dass konkrete und ernsthafte Heiratsabsichten schon mehrere Monate bestanden hätten, bevor beim Versicherten im Dezember 2010 die tödliche Krankheit festgestellt wurde. So hätten sich sowohl der Versicherte als auch die Klägerin bereits im Laufe des Jahres 2010 um die Beschaffung der erforderlichen Papiere bemüht. Dies sei besonders schwierig gewesen, weil beide Eheleute zuvor schon einmal verheiratet gewesen seien. Die Klägerin habe monatelang auf Unterlagen aus der Ukraine warten müssen. Auch das Standesamt habe bestätigt, dass bei der Eheschließung mit einer ausländischen Staatsangehörigen zwischen einer ersten Auskunft über die erforderlichen Papiere bis zu deren Beschaffung im Allgemeinen mehrere Monate vergingen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann von der Rentenversicherung mit der Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg angefochten werden.
Sozialgericht Berlin, Urteil vom 11.09.2017, S 11 R 1839/16, nicht rechtskräftig
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Rechtsanwalt Miles B. Bäßler