Zuwendungen bei gleichzeitigem Erbverzicht: Qualifikation von Willen der Parteien abhängig
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit der Qualifikation von Zuwendungen bei gleichzeitigem Erbverzicht beschäftigt. Er hält fest, dass hierfür vorrangig der Wille der Parteien maßgebend sei.
Der Kläger verlangt die Übertragung mehrerer Miteigentumsanteile an einem Grundstück, von denen er geltend macht, er habe sie der Beklagten, seiner Tochter aus erster Ehe, geschenkt. Die Parteien schlossen im Jahr 2008 eine notarielle Vereinbarung, die als „mittelbare Grundbesitzschenkung – Erbvertrag – Erb- und Pflichtteilsverzicht“ bezeichnet ist. Darin heißt es unter anderem, der Kläger verpflichte sich, der Beklagten einen Geldbetrag zu schenken, den sie ausschließlich zum Erwerb einer bestimmten, im Vertrag näher bezeichneten Eigentumswohnung sowie von Miteigentumsanteilen in Höhe von jeweils 18/100 an zwei weiteren Eigentumswohnungen auf demselben Grund-stück verwenden dürfe. In den am selben Tag geschlossenen Kaufverträgen über die Wohnungen wurde festgehalten, dass der Kläger der Beklagten die Grundstücksanteile schenke, indem er den hierauf entfallenden Kaufpreis einschließlich der Grunderwerbssteuer entrichte, und die Schenkung auf die Erb- und Pflichtteilsrechte der Beklagten angerechnet werden solle. Die verbleibenden Miteigentumsanteile an den Wohnungen, an denen die Beklagte lediglich Teileigentum erwarb, erwarb der Kläger für sich selbst. Insoweit setzte er der Beklagten ein Vermächtnis aus. Die Beklagte erklärte gegenüber dem Kläger den Verzicht auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht aufschiebend bedingt durch den Vollzug der Schenkung der Grundstücksanteile und den Vollzug des Vermächtnisses.
Die Vorinstanzen haben die Klage, die auf einen vom Kläger erklärten Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks gestützt ist, abgewiesen. Das Berufungsgericht nahm an, dass eine Rückforderung wegen Widerrufs der Schenkung nicht in Betracht komme, da der Kläger der Beklagten die Wohnungen nicht unentgeltlich, sondern gegen die Erklärung des Erbverzichts zugewendet habe.
Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen. Ob eine im Zusammenhang mit einem Erbverzicht gewährte Zuwendung als Schenkung einzuordnen sei, hänge vorrangig vom Willen der Parteien ab, so die Bundesrichter. Komme es dem Erblasser in erster Linie darauf an, dass der Empfänger der Zuwendung auf sein Erbrecht verzichtet, spreche dies dafür, eine als Ausgleich hierfür geleistete Zuwendung als entgeltlich anzusehen. Stehe dagegen die Zuwendung als solche im Vordergrund und werde der Erbverzicht lediglich als eine besondere Form der Anrechnung auf das Erbrecht gewählt, sei in der Regel von einem unentgeltlichen Charakter der Zuwendung auszugehen.
Das Berufungsgericht habe bei der Beurteilung des Charakters der Zuwendung den Willen der Parteien nicht hinreichend ermittelt und zu Unrecht allein darauf abgestellt, ob der Zuwendungsempfänger auf sein Pflichtteilsrecht oder auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Anhaltspunkte für den maßgeblichen Willen der Vertragsparteien könnten sich insbesondere aus den Umständen des Zustandekommens der Vereinbarung und ihrer Ausgestaltung im Einzelnen ergeben. Im Streitfall sei zu beachten, dass die Zuwendung des Klägers in der notariellen Vertragsurkunde als erstes geregelt und ausdrücklich als Schenkung bezeichnet wird.
Da das Berufungsgericht sich mit den Umständen des Zustandekommens der notariellen Vereinbarung nicht näher auseinandergesetzt und im Übrigen keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die geltend gemachten Widerrufsgründe im Fall einer Schenkung den Widerruf wegen groben Undanks rechtfertigen, konnte der BGH eigenen Angaben zufolge die Sache nicht abschließend entscheiden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.07.2015, X ZR 59/13
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Rechtsanwalt Miles B. Bäßler